Der Wal, Summerhill oder warum man die erste Liebe nie vergisst! ☺ Teil 2

Warum bin ich also nach 1988 nie wieder nach Summerhill zurückgekehrt?

Weil es hat sich jedes Mal angefühlt hat, als ob eine gerade verheilte Wunde wieder aufgerissen wurde. Ich konnte einfach nicht zur Ruhe kommen, denn obwohl ich mich damals schon längst wieder gut in Deutschland eingelebt hatte, war ich nach einem Besuch in Summerhill immer aufgewühlt und unzufrieden, wenn ich wieder nach Hause zurückkehrte.

Ich habe meine Mutter nie einen Vorwurf dafür gemacht, das ich SH verlassen musste, denn wir haben zuhause immer offen über das Thema Geld gesprochen und wie hätte ich Ihr vorwerfen können, das sie ein Internat nicht mehr finanzieren konnte? Im Gegenteil, ich war immer dankbar dafür , das ich dort überhaupt ein paar Jahre leben durfte, das ist mehr als die meisten Kinder der Welt bekommen.

Trotzdem fühlte ich mich vom Leben betrogen. Zwar habe ich eigentlich nur zwei Jahre verpasst, denn die meisten Schüler gehen mit 16 oder 17 Jahren von SH ab. Aber diese zwei Jahre fühlen sich wie das letzte fehlende Stück eines Puzzel an, das ich nie fertig stellen konnte.

Ich war eifersüchtig auf jeden meiner Freunde, die noch dort waren. Eifersüchtig darauf das sie Ihre Beziehungen vertiefen und festigen konnten, anschließend teilweise gemeinsam auf weiter führende Schulen gingen oder kurz gesagt, länger im „Paradies“ leben durften als ich. Das Gefühl das mein Aufenthalt dort zu kurz war, um Spuren in den Köpfen meiner Freunde, zu hinterlassen, war einfach übermächtig. Wenn man selbst, aus welchem Grund auch immer, unglücklich ist, kann man einfach nicht glauben, das die Welt sich trotzdem weiter dreht und alle Ihr Leben weiter leben, als ob nichts passiert wäre. „Gönnen zu können“, lernt man glaube ich erst später im Leben, ich konnte es damals auf jeden Fall noch nicht!

Gruppenfoto 1988 Summerhill

Ich, 1988 bei den Eltern einer SH Freunden, mit ein paar anderen Summerhilliens und einem Schulfreund aus Deutschland!

Was hab ich mir bloß bei der Haarfarbe gedacht? 🙂

Darum beschloss ich 1988 Summerhill aus meinem Leben und meinem Kopf zu verbannen. Woran man nicht denkt, kann einem auch nicht weh tun!

Das war damals auch nicht besonders schwierig, denn es war vor der Zeit, als das Internet weltliche Grenzen und Entfernungen verwischt hat. Ich war, man kann es kaum glauben wenn man sieht wie viel ich hier immer hinterlasse, kein Briefe Schreiber (ich hab sowieso eine gruselige Handschrift) und telefonieren war damals auch noch viel zu teuer. Es war also ein leichtes, alle Erinnerungen an Freunde und Schule verblassen zu lassen. Es hat ein paar Jahre gegeben, in denen ich fast vergessen hatte, das ich ein Summerhillien war.

Aber wenn etwas einen besonderen Platz in Deinem Herzen hat, kannst Du es zwar eine Weile verdrängen, aber nie mehr ganz und gar aus Deinem Leben verbannen und das wollte ich ja auch nicht wirklich.

Ich weiß es nicht mehr ganz genau, aber es muss Anfang 2011 gewesen sein, als Facebook, Summerhill und mich wieder vereint hat. Eines Tages hatte ich plötzlich eine Einladung einer Summerhill Gruppe auf FB beizutreten. Ob Ihr es glaubt oder nicht, meine Hände haben gezittert, als ich mich zur Seite durch geklickt habe. Plötzlich waren von einer Sekunde auf die andere alle wieder da. Die Gesichter meiner Freunde, alte Lehrer und Betreuer. Bilder von Summerhill selbst. Ich hab jetzt noch einen Klos im Hals, wenn ich an diesen Tag zurück denke. Die verdrängten Gefühle haben mich wie eine Tsunami Welle überrollt. Aber das schönste Gefühl von allen war, das sie an mich gedacht hatten. Ich wurde nicht vergessen, ich war immer noch ein Summerhillien und das nicht nur in meinem Kopf, sondern auch in den Köpfen meiner einstigen Freunde.

Natürlich wusste der Liebste, das ich in einem Summerhill war, er hatte sogar zwei ehemalige Summerhilliens kennen gelernt, die in Köln und Umgebung leben und mit denen ich sporadischen Kontakt hatte. Das es nur sporadisch war, lag sicher auch daran, das ich mich um Treffen nicht besonders bemüht habe. Aber als ich aber diese FB Seite sah, sind alle Dämme gebrochen und ich habe dem Liebsten Tagelang nur noch von Summerhill erzählt, Ihm Bilder gezeigt und Ihn sogar gezwungen, sich eine gestreamte Dokumentation aus den 80er Jahren im Internet anzusehen. Das war hart, denn die Qualität war entsprechend gruselig 🙂

Ich verbrachte Stunden damit, mir die FB Seiten meiner wiedergefundenen Freunde anzusehen, verschickte täglich neue Freundschaftsanfragen an die Wiederentdeckten und korrespondierte mit so vielen wie möglich. Mal per Mail und des Öfteren auch per Telefon. So erfuhr ich dann auch, das es mittlerweile nicht mehr üblich war, zur Abschlussfeier des Sommertrimesters, einfach zu Besuch zu kommen. In der Zwischenzeit gab es so viele ehemaligen Summerhilliens und Reisen war auch deutlich billiger geworden, das der Ansturm von Besuchern, den Schulalltag zu sehr durcheinender gebracht hatte. Statt dessen, gab es jetzt alle fünf Jahre eine große Reunion, zu der jeder Ehemalige kommen durfte, man musste sich nur anmelden.

Selbstverständlich wollte ich dort auch hin, was nicht unproblematisch war, da wir genau an diesem Wochenende auch auf einer Hochzeit eingeladen waren, die wir nicht absagen wollten und konnten. Aber wo ein Wille ist , da ist auch ein Weg und so buchten wir für Samstagmorgen die Erste Maschine nach London und nahmen uns von dort aus einen Mietwagen. Ich war so aufgeregt, das ich zwischen Hochzeitsfeier und Abflug kein Auge zukriegen konnte. Auf der Fahrt von London nach Summerhill war ich so zappelig, das der Liebste mich mehrmals zur Ruhe ermahnen musste. Bei jedem Ortsschild das ich wiedererkannte, bin ich fast in Tränen ausgebrochen. Ich hätte nicht aufgeregter sein können, wenn ich zum ersten Date meines Lebens gefahren wäre 🙂

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Als wir in die Einfahrt von Summerhill fuhren war alles wieder da, das Herzklopfen, die Magie die ich mit Summerhill verbinde und das Gefühl endlich wieder Zuhause zu sein.

Aber auch Angst, denn alle anderen, und das waren wesentlich mehr als ich erwartet hatte, waren schon ein bis zwei Tage dort, hatten sich begrüßt und Ihre Freundschaften UpDaten können. Was wenn mich keiner erkennen würde, wenn ich rum stehen würde, wie bestellt und nicht abgeholt. Als wir vor dem Haupthaus hielten, hätte ich den Liebsten gerne gebeten, einfach wieder umzudrehen.  Wer mich persönlich kennt, wundert sich immer, wenn ich erzähle, das ich solche Ängste habe. Aber nur weil ich groß und laut bin, heißt das ja noch lange nicht, das ich nicht auch unsicher sein kann. Jedoch waren meine Sorgen unbegründet, denn ich wurde erkannt und so schubste der liebste mich in die Menge und spazierte erst mal von dannen.

Es wurden zwei wundervolle Tage in denen ich alte Freundschaften auffrischte und neue schloss.Der Liebste wurde sofort in die Familie integriert und verwandelte sich innerhalb von 24 Stunden in einen manischen Teetrinker. Ein Getränk das ich sonst nur imKrankheitsfall einflößen kann!

Summerhill ist noch immer das Paradies für Kinder, das ich in Erinnerung hatte und ich bin bei weitem nicht die Einzige, die diese ganz besondere Magie und Verbundenheit fühlt. Einmal Summerhillien, immer Summerhillien 🙂

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 Summerhilliens von 20 Jahren bis 88 Jahre 🙂

Der Grund warum ich das Bedürfnis hatte, euch von SH zu erzählen ist der, das ich am vergangenen Sonntag wieder einmal das Vergnügen hatte, mit anderen Summerhilliens und deren Familien zusammen zu sein, weil ein Geburtstag nach gefeiert wurde. Immer noch habe ich in der ersten Stunde eines solchen Treffens, das Gefühl ein Außenseiter zu sein, weil mir diese zwei Jahre fehlen, es ist irrational und unbegründet, aber man hat halt seinen Kopf nicht immer unter Kontrolle. Hinzu kommt noch, das all meine Freunde Kinder haben, manchmal denke ich, das ich der einzige Summerhillien bin, der keine hat. Eltern haben immer etwas Gemeinsam, also trägt das in der ersten halben Stunde dazu bei, das ich mich ein wenig fehl am Platz fühle.

Aber als wir auf dieser wunderschönen Terrasse saßen und den vielen lachenden Kindern beim spielen zusahen, da stellte sich bei mir wieder diese seltsame Vertrautheit ein, die sich auch nur schwer beschreiben lässt. Schließlich sind das Menschen mit denen ich vor über 30 Jahren mal für ein paar Jahre zusammengelebt habe, das macht uns ja im Hier und Jetzt nicht zwangsweise zu Vertrauten. Aber irgendwie eben doch, auch wenn das seltsam klingt, aber diese gemeinsame Zeit in SH verbindet mehr als man ahnt. Zumindest empfinde ich das so.

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Summerhilliens always stand tall and Proud 😉

Aber Erinnerungen sind halt unterschiedlich stark ausgeprägt. So habe ich am Sonntag erfahren, das keiner meiner drei ehemaligen Gefährten, sich an meinen früheren Spitznamen „Pink Elephant“ erinnern konnte und das obwohl einer der Namensgeber mit am Tisch saß 🙂

Den Einen prägt es und für einen anderen ist es ein längst vergessener Scherz aus vergangener Zeit. Mich hat diese Erkenntnis gestern zwar etwas erstaunt, aber auch irgendwie beruhigt. Auch ich war nicht immer nur freundlich zu anderen Menschen oder habe sie mit meinem Sinn für Humor verletzt. Natürlich mache ich mir Gedanken, ob ich jemand, ich nenne es mal mangels besserem Wort „traumatisiert“ habe. Jetzt hoffe ich, das ich auch in der Hinsicht manches heftiger erinnere, als mein Gegenüber! Wobei ich das nicht ganz so dramatisch meine, denn traumatisiert war ich sicherlich nicht von dem Spitznamen. Ich glaube eher, dass es mir geholfen hat eine meiner Stärken zu finden, nämlich Humor 🙂

Ich frage mich oft, wie ich mich ohne Summerhill entwickelt hätte und ich kann mir die Frage beim besten Willen nicht beantworten. Sicher wäre ich so oder so kein schüchterner Mensch geworden, so bin ich nicht veranlagt. Aber hätte ich den Drang gehabt, Autorität immer hinterfragen zu wollen? Könnte ich es mir besser verkneifen, immer meine Meinung zu sagen, auch wenn es unvorteilhaft ist? Wäre ich so Kontaktfreudig wie ich es bin, wenn ich als Einzelkind Prinzessin aufgewachsen wäre, statt mit einer Horde Kinder aus der ganzen Welt? Und wie wäre ich in meinem Job, denn das ich zum Fernsehen gegangen wäre ob mit oder ohne SH, da bin ich mir ziemlich sicher!

Einer meiner Chefs, mit dem ich im Laufe der Jahre immer wieder zusammen gearbeitet habe, sagt immer das ich so einen „Kuschel oder auch Bussi Bussi“ Führungsstil habe. Damit meint er nicht, das ich meinen Kollegen körperlich zu nach trete oder gar abschlecke, sondern das ich immer so einen „süßen“ Ton habe, oder meine Kollegen auch schon Mal mit Kosenamen betitele. Partiell hat er damit nicht Unrecht und das hat zwei Gründe.

1. Ein Mensch der sich respektiert, beschützt und auch ein wenig liebgehabt fühlt, wird immer ein besseres Arbeitsergebnis abliegfern, als jemand der gestresst ist. Liegt ja eigentlich auf der Hand oder? Naja und Freundlichkeit und Humor verbreiten im Bestfall menschliche Wärme, und das hilft der Sache sehr!

2. Wenn man überwiegend ein freundlicher, fröhlicher Mensch ist, muss man nur aufhören zu Lächeln und das Umfeld merkt, das etwas nicht gut läuft. Ein kluger Mann hat mir vor vielen Jahren mal gesagt, das Missbilligung oder Unzufriedenheit, in Ihrer Ausdrucksform, steigerbar bleiben müssen. In anderen Worten, man sollte nicht sein ganzes Pulver am Anfang verschießen oder wie im Bezug auf mich, das Aufgeregte Gorillaweibchen nicht direkt raus lassen 🙂

Hat mir sofort eingeleuchtet, aber das entsprechend umzusetzen, daran arbeite ich schon seit langer Zeit, aber kriege es bei weitem noch nicht zu 100% hin. Aber es wird mit zunehmendem Alter besser 🙂

Jedenfalls stelle ich mir selbst mehr Fragen als ich beantworten kann, denn ich kann mir den Menschen, der ich ohne Summerhill wäre, einfach nicht vorstellen. Denn die erste Liebe verändert einfach alles… 😉

 

2 Kommentare zu “Der Wal, Summerhill oder warum man die erste Liebe nie vergisst! ☺ Teil 2

  1. man merkt wie sehr du diesen ort liebst, ich habe so einen auch. leider ist das haus nicht mehr da. aber wenn ich schlecht drauf bin, oder traurig dann werfe ich mein kopfkino an und gehe dort hin.
    es ist gefühlsmäßig eine oase an ruhe und freude, auch wenn es das haus nicht mehr gibt jedesmal wenn ich daran vorbei fahre hüpft mein herz und ich freue mich.

    ausserdem kenn ich das mit der bussi bussi führungstil, ich bin da auch so. was ja nicht heisst das man selber nicht hart oder konsequent sein kann.
    ich finde eine gute mischung…
    darum weiter so …

    lg

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  2. Schöne Liebesgeschichte von dir und Summerhill !

    „das Missbilligung oder Unzufriedenheit, in Ihrer Ausdrucksform, steigerbar bleiben müssen“ …… das finde ich sehr gescheit und praktiziere es auch mit recht gutem Erfolg.

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