Der Wal und die Modeindustrie oder warum dürfen Dicke nicht sexy sein? Vom 07. Juni 2014

Heute Vormittag waren der Liebste und ich in der Stadt, unter anderem um neue Sportklamotten und eventuell auch einen neuen Badeanzug, für mich zu kaufen. Und weile es genau auf dem Weg liegt, schaue ich dann auch bei Ulla Popken rein. Ich vermute dass die meisten meiner Leidensgenossinnen, dieses Bekleidungsgeschäft kennen. Für Euch andere, es ist ein Übergrößen Modegeschäft.

Ich besitze einige Kleidungsstücke dieser Marke, aber jedes Mal wenn ich dort reingehe, rege ich mich ungeheuer auf, weil es mich daran erinnert, dass es viel zu wenige wirklich gute Mode für dicke Frauen, und wahrscheinlich auch für Männer gibt. Da kenne ich mich nicht wirklich aus, aber wenn ich was sehe, sind es meistens karierte Hemden im Holzfäller Look und auch erstaunlich viel mit Querstreifen. Gott allein weiß was sich die Designer dabei denken!
Ich glaube das mit niemand unterstellenkann, das ich andere für mein Übergewicht verantwortlich mache, aber auch wenn andere nicht Schuld sind, so gebe ich gerade der Modeindustrie eine gewisse Teilschuld.

Wenn das Übergewicht einen Verbündeten, außer den Süßigkeiten Produzenten hat, dann ist es mit Sicherheit die Industiere der Übergrößenmode! Wenn man erst mal anfangen muss, sich Kleidung in einer Übergröße zuzulegen, hat man gleich mehrere Probleme. Das trifft dann zu, wenn man eine Kleidergröße erreicht hat, die nicht mehr in jedem gängigen Geschäft, zu erhalten ist.

Problem Nr. 1: Elastan!
In fast allen Stoffen, aus denen Übergrößenkleidung angefertigt wird, ist Elastan mit eingewebt. Bedeutet, unsere Klamotten wachsen eine ganz Weile entspannt mit uns mit und wir erliegen so ganz leicht der Illusion, das wir schon seit geraumer Zeit unser Gewicht halten, denn es passt ja alles! Vor ca. vier Wochen hat der Liebste meinen Körperumfang neu ausgemessen, das erste Mal seit ich mit meiner „Metamorphose“ angefangen hatte.

Und das Ergebnis war überwältigend erfreulich, denn ich hatte unter anderem allein in der Taille 11 cm an Umfang abgenommen. Ihr könnt Euch vorstellen, wie aufgeregt ich war und als wir das letzte Maß genommen hatten, stürmte ich zum Ulla Popken Katalog um dort in der Maßtabelle nachzusehen, welche Größe ich den nun hatte, denn all meine Hosen in Größe 52/54 rutschten mir beim Gehen schon den Hintern runter. Ich wähnte mich also schon im Himmel der 40er Größen angekommen, aber als ich in der Tabelle meine „neue“ Kleidergröße sah und erst mal überraschend ernüchterte. Ich war immer noch eine 52/54 aber eben nur ganz Knapp und gerade so an der Grenze zu 56/58. Das war eine ziemlich kalte Dusche! Der einzige Grund warum meine Hosen also rutschen, ist der das ich das Gummi in dem Gewebe erst ordentlich ausgedehnt und überstrapaziert hatte und es sich jetzt nicht mehr zusammen ziehen kann!

Es ist also ziemlich wahrscheinlich, dass ich zu Beginn meiner Reise, schon fast bei den 60er Größen angekommen war. Und wieder einmal, ohne irgendwas davon bewusst mitzubekommen. Denn sind wir mal ehrlich, orientieren wir uns nicht alle eine wenig an der Größe, die in unserer Hose steht?

Wir können also in aller Ruhe, in unseren ohnehin schon übergroßen Klamotten, weiter reinwachsen, weil sie uns „Gummiklamotten“ geben! Das tun sie angeblich damit wir es nett und bequem haben, aber wann hat „Bequem“ denn schon mal dabei geholfen, Übergewicht in den Griff zu kriegen?

Die ganze Welt und ich meine wirklich die GANZE Welt spricht darüber wie ungesund Übergewicht ist. Naja außer vielleicht in den Asiatischen Ländern, die scheinen damit deutlich weniger Probleme zu haben (Wir sollten vielleicht mehr über das Konzept von Reis und Sojasoße nachdenken ). Unsere Krankenkassen geben einen Prospekt nach dem anderen über Diäten und Gesunde Ernährung raus. Großer Gott, die aktuelle First Lady im Weißen Haus, hat eine Kampagne für gesunde Ernährung und gegen die Verfettung von Kindern gestartet. Aber was macht die Industrie, auf die wir angewiesen sind, damit wir nicht nackt durch die Gegend laufen müssen oder wie viele von Euch können sich Maßgeschneiderte Klamotten leisten? Sie denkt sich „Och da geht noch was, bisschen Flexibilität muss ja sein“

Checkt doch mal Eure Kleiderschränke und messt Euch selbst aus. Ich wäre sehr erstaunt, wenn ich die Einzige mit solchen Erfahrungen wäre.

Problem Nr. 2: Polyester!
In Übergroßer Kleidung ist überdurchschnittlich oft, überdurchschnittlich viel Polyester verarbeitet. Zumindest kommt mir das so vor und ich gehe ja auch mit einem schlanken Mann einkaufen und mit Statistiken habe ich es ja nicht so, wie ich Euch ja bereits gestanden habe. Aber ich denke dass ich da Vergleichsmöglichkeiten habe.
Polyester ist wiederum auch nur eine weitere Form von Plastik und nur selten wird es so verarbeitet, dass es in Stoff Form, „weich“ fällt. Meistens ist es eher leicht Steif und wenn man eine Bluse daraus trägt, dann schmiegt sich der Stoff nicht an den Körper, sondern er baut eher einen Art Zaun drum herum. Solche Blusen, haben noch niemanden „zarter“ aussehen lassen, eher im Gegenteil, es macht kantig und irgendwie plump.

Ich möchte niemanden der solche Blusen trägt kränken, zumal ich sie ja selbst auch trage und getragen habe. Aber unsere Auswahl ist ja auch recht begrenzt!

Und was fällt uns sonst noch zu Kleidung mit einem hohen Plastikanteil ein? Richtig, man schwitzt darin schneller und das trägt ja auch nicht gerade zum Wohlbefinden bei. Wer jetzt denkt „Igitt, Dicke schwitzen also wirklich mehr!“ dem möchte ich raten, einen 50 Kilo Rucksack aufzuschnallen und einen Einkaufsbummel zu machen. Alternativ auch gerne einfach zwei Bierkästen beim Bummeln mitnehmen. Mit so viel Gewicht kommt niemand trocken ans Ziel!

Problem Nr. 3: Die Tunika, das Zelt!
Die Tunika, oh wie sehr ich diesen Begriff hasse, ist einer der gemeinsten Kleidungsstücke überhaupt. Eigentlich ist es nur ein Zelt, denn genauso ist es geschnitten. Oben schmal und nach unten breiter werdend oder ein besseres Bild ist vielleicht eine Osterglocke die auf dem Kopf steht. Wieder ist das Kleidungsstück so angelegt, das wir darunter weiter in die breite wachsen können, denn die Tunika schwebt immer ein wenig um die Mitte rum. Ich habe glaube ich an die 20 Tunikas und ich verfluche mich dafür, dass ich sie gekauft habe. Ich bin dabei sie Stück für Stück auszusortieren. Ich will keine Kleidung mehr, in die ich auch noch reinwachsen kann!

Problem Nr. 4: Muster und Pailletten.
Wenn man groß und dick ist, dann fällt man auf, das lässt sich nicht vermeiden. Man kann sich höchstens überlegen, ob man das Auffallen auch noch provozieren möchte oder ob man versucht eine Tarnfarbe bei der Kleiderwahl, zu bevorzugen. Ich persönlich bevorzuge es aufzufallen, aber wie bzw. wodurch ich das tue, möchte ich selbst bestimmen! Mein Augenmerkt liegt bei meiner Garderobenauswahl, unter anderem auf meinem Dekolletee, denn ich finde es wunderschön oder wie der Liebste auch schon mal sagt, zum Anbeißen

Als ich noch mehr Rubens als Sumo war, trug ich gerne Sachen aus weichen Baumwollstoffen, die sich an meinen Körper schmiegen und ich mag dunkle Farben insbesondere Schwarz, weil ich den Kontrast zu meinen Roten Haaren und meiner weißen Haut aufregend und sexy finde.

Was ich hingegen unsexy finde und auch nicht verstehe ist, warum gefühlt 70 % der Oberbekleidung für dicke Frauen entweder mit großen Blumenmustern und nichts sagenden Schriftzügen bedruckt oder mit irgendwelchen bunten Glitzersteinchen beklebt ist. In ganz krassen Fällen manchmal auch alles zusammen, dann auch gerne auf Polyersterstoff, das ähnelt dann einem Look, den ich mit ca. 14 Jahren in den 80ern witzig fand und selbst damals nicht immer.

Fast jeden dicken Menschen kostet der Besuch im Schwimmbad oder am Strand eine Menge Überwindung, meistens gepaart mit einer gewissen Paranoia, das alle einen anstarren. Oder geht es euch da anders? Müssen sie uns dann auch noch Badeanzügen mit grellen, meist Floralen Mustern aufzwängen? Warum machen sie uns nicht direkt kleine Leuchtbojen-Hüte, damit man uns auch ganz bestimmt nicht übersieht?

Es gibt auch Firmen, die mittlerweile einigermaßen normale Sachen herstellen, aber deren Zielgruppe sind eher die „jungen dicken“ und darum sind Verarbeitung und Stoffe nicht besonders Hochwertig. Aber ist es von Vorteil, wenn man gut und gepflegt aussieht, auch in Sachen Kleidung. Das ist nicht immer leicht.

Aber weil ich eine begnadete Änderungsschneiderin kenne und selbst ein paar gute Ideen habe, konnte ich mir im Großen und Ganzen einen Garderobe zulegen, mit dem ich gut leben kann/konnte. Aber warum muss das so kompliziert und am Ende des Tages auch so teuer sein?

Was sind das für Leute die da Mode für uns machen? Tragen die die Sachen auch selber? Wissen die, wie beschissen (sorry, manche Dinge kann man nicht blumig umschreiben) sich viele ihrer Stoffe auf der Haut anfühlen? Interessiert die das überhaupt?

Ich wünschte ich hätte die Gabe, Entwürfe zu zeichnen. Ich habe so viele Ideen und Bilder im Kopf, was man machen könnte.

Ich wünsche mir sexy, selbstbewusste Mode für die dicke Frau ab 30! Ich will nicht länger nur eine Auswahl von Mode haben, deren Hauptziel es ist, meinen Körper zu verstecken und mich zu einer schwitzenden Witzfigur zu machen.

Kein Wunder, das so viele von uns im Kampf gegen das Übergewicht aufgeben. Wir werden stilistisch entmutigt, so dass wir gar kein gutes Körpergefühl mehr entwickeln können. Wenn wir nackt sind, laufen wir mit zugekniffenen Augen am Spiegel vorbei und wenn wir uns angezogen betrachten, denken viele, das Hopfen und Malz eh verloren sind, weil wir mal wieder eine Tunika anhaben, die einen Big Ben aus uns macht!

Ich sage es nochmal, ich will niemanden kränken, denn ich trage viele dieser Kleidungsstücke auch, aber eben nur, weil ich/wir oft gar keine andere Wahl haben.

Ganz ehrlich, wer von Euch würde noch Mode in der Art von Ulla Popken tragen, wenn er es nicht mehr müsste? Bin ich allein mit meiner radikalen Meinung oder geht es Euch auch so?

Ich hab heute mal ein paar Fundstücke, die mich besonders aufgeregt haben, fotografiert. Seht selbst, ist das Mode die uns mit unseren Pfunden besser aussehen lässt?

Ich geh jetzt mal wieder den Kleiderschrank aussortieren, heute muss eine Tunika in schwarz und mit kleinen weißen Blümchen dran glauben…;-)

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2 Kommentare zu “Der Wal und die Modeindustrie oder warum dürfen Dicke nicht sexy sein? Vom 07. Juni 2014

  1. Liebe Debby,
    habe gerade ein wenig in deinem Blog gestöbert und bin begeistert. Es geht doch und sogar mit Fotos! In einer Woche bist du Vollprofi!
    Liebe Grüße und ein feines Wochenende
    Doris

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